Vor wenigen Minuten hat die Redaktion von aspekte zu den vielen Vorwürfen und Zuschriften bzgl. dem Bericht über Ostdeutschland im Allgemeinen und Jena im Speziellen im Zusammenhang mit rechter Gewalt eine Stellungnahme abgegeben:

Liebe Zuschauer,

vielen Dank für Ihre Zuschrift zu unserer Sendung vom 18.11. Wir bedauern, dass unser Beitrag Sie so sehr empört hat. Wir hatten nicht die Absicht „den Osten“ und die Stadt Jena pauschal zu verurteilen.

Allerdings halten wir es für journalistisch vertretbar, dass wir dem Schriftsteller Steven Uhly, der sich wie viele andere Bürger auch in den östlichen Bundesländern von manifester Fremdenfeindlichkeit und rassistischen Pöbeleien bedroht fühlt, ein Forum gegeben haben. Seine Angstgefühl mag höchst subjektiv sein, ist aber deswegen nicht weniger legitim. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, einem Interviewpartner die Meinung einer Redaktion in den Mund zu legen.

Nach der Entdeckung eines rechtsterroristischen Netzwerks, das zehn Menschen ermordet hat, haben wir Uhly Gelegenheit gegeben, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Mit diesen Ängsten steht er als Bürger mit ausländischen Wurzeln keineswegs allein da.

Dass es in Jena viele Menschen gibt, die sich seit Jahren, wie Pfarrer König, im Kampf gegen die rechte Szene engagieren, hat unser Beitrag deutlich gezeigt. Aber gerade er und der Aussteiger Uwe Luthardt bestätigen die Existenz einer gewissen Fremdenfeindlichkeit, also genau den Grund für die Angst von Steven Uhly. Auch der kurdische Imbissbesitzer, bei dem sich Luthardt und Uhly trafen, wollte nicht vor die Kamera. Er habe Angst sich das Geschäft zu verderben, erklärte er seine Ablehnung. Noch immer gibt es in der Universitätsstadt Jena den berühmt berüchtigten Nazitreffpunkt das „Braune Haus“, das zwar zur Zeit aus baurechtlichen Gründen geschlossen ist, dessen Garten aber immer noch für rechtsextreme Versammlungen genutzt wird.

Von den 156 Menschen, die seit 1990 bei rechtsextremistischen Übergriffen zu Tode kamen, ist die Hälfte im Osten ermordet worden. Wenn man diese Zahl ins Verhältnis zu den Einwohnerzahlen der alten und neuen Bundesländer setzt, dann stellt man fest, dass die Zahl der Übergriffe in den neuen Bundesländern signifikant, nämlich fünfmal höher liegt. Zwar sind die rechten Gewalttaten mit Todesfolge glücklicherweise rückläufig, aber die ostdeutschen Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt berichten, dass sich die Zahl rechter Übergriffe seit Jahren auf einem skandalös hohen Niveau bewegt.

Wenn unser Beitrag Ihrer Meinung nach die Auseinandersetzung mit dem Problem des Rechtsextremismus nicht gefördert hat, tut uns das leid. Wir können Ihnen aber versichern, dass wir an diesem sensiblen Thema dran bleiben.

Mit freundlichen Grüßen,

Anna Riek,
Redaktion aspekte

Sehr geehrte Frau Riek, geschätztes Redaktionsteam von aspekte,

diese Stellungnahme kann unmöglich Ihr Ernst und Ihre angemessene Reaktion auf die vielen Zuschriften sein.

Allerdings halten wir es für journalistisch vertretbar, dass wir dem Schriftsteller Steven Uhly, der sich wie viele andere Bürger auch in den östlichen Bundesländern von manifester Fremdenfeindlichkeit und rassistischen Pöbeleien bedroht fühlt, ein Forum gegeben haben.

Ja, ihm ein solches Forum zu geben ist selbstredend legitim. Leider kommt in Ihrem Beitrag nicht hervor, worauf sich seine Angst begründet. Es kommt jedoch hervor, dass er nur sehr selten in die „ostdeutschen“ Länder reist. Also ist seine Angst nur eine subjektiv gefühlte? Nicht dass wir uns missverstehen, die Angst ist deswegen nicht weniger ernst zu nehmen. Nur fehlt es mAn an einer Erläuterung, wie er zu dieser Angst im speziellen Bezug zu „Ostdeutschland“ kommt. Wie oft reist Herr Uhly denn in „westdeutsche“ Städte und ist seine Angst dort geringer?

Betrachte ich mir nämlich einen Bericht aus der Südeutschen Zeitung aus 2009, so frage ich mich schon, warum Herr Uhly sich in München eher angstfrei bewegen kann, als in irgendeiner anderen deutschen Stadt – wissen Sie es?

Es kann nicht unsere Aufgabe sein, einem Interviewpartner die Meinung einer Redaktion in den Mund zu legen.

Vollkommen richtig, und dies hat auch niemand von Ihnen verlangt. Sehr wohl darf man es jedoch als Ihre Aufgabe ansehen, neben der einen Meinung Ihres Interviewpartners, den Sachverhalt journalistisch sauber aufzubereiten und ihn von allen Seiten zu beleuchten.

Nach der Entdeckung eines rechtsterroristischen Netzwerks, das zehn Menschen ermordet hat, haben wir Uhly Gelegenheit gegeben, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Mit diesen Ängsten steht er als Bürger mit ausländischen Wurzeln keineswegs allein da.

Natürlich steht Herr Uhly mit seinen Ängsten nicht allein da. Sicherlich haben auch die Hinterbliebenen der Opfer Ängste. Sicherlich haben auch viele andere Mitbürger mit „Migrationshintergrund“ Ängste. Auch deutsche Mitbürger haben Ängste vor rechtsradikalen Gewalttaten. Dies ist klar und wird von niemandem bestritten. Sie müssen sich mAn jedoch sehr wohl den Vorwurf gefallen und die Frage stellen lassen, warum Sie ausgerechnet einen Interviewpartner gewählt haben, welcher kürzlich ein Buch veröffentlicht hat, welches zudem mit etwas über eine Minute in Ihrem Beitrag „beworben“ wird. Da hätte es doch wesentlich bessere Möglichkeiten gegeben, diese Minute zu füllen. Mit Gesprächen von ausländischen Studenten der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Beispiel.

Dass es in Jena viele Menschen gibt, die sich seit Jahren, wie Pfarrer König, im Kampf gegen die rechte Szene engagieren, hat unser Beitrag deutlich gezeigt.

Dann haben Sie einen anderen Beitrag gesehen als ich und wahrscheinlich die vielen anderen Zuschauer auch. Denn genau dies wird in Ihrem Beitrag eben überhaupt nicht klar. Und deutlich schon gar nicht.

Aber gerade er und der Aussteiger Uwe Luthardt bestätigen die Existenz einer gewissen Fremdenfeindlichkeit, also genau den Grund für die Angst von Steven Uhly. Auch der kurdische Imbissbesitzer, bei dem sich Luthardt und Uhly trafen, wollte nicht vor die Kamera. Er habe Angst sich das Geschäft zu verderben, erklärte er seine Ablehnung.

Ja, da haben Sie natürlich vollkommen Recht. Und die Angst von kurdischen, indischen, türkischen [bitte beliebig fortzusetzen] Ladenbesitzern und die „gewisse Fremdenfeindlichkeit“ welche in anderen deutschen Städten und auch Dörfern u.a. auch in den „westlichen“ Bundesländern existiert, wurde warscheinlich aus reinen Gründen mangelnder Sendezeit nicht erwähnt?

Von den 156 Menschen, die seit 1990 bei rechtsextremistischen Übergriffen zu Tode kamen, ist die Hälfte im Osten ermordet worden. Wenn man diese Zahl ins Verhältnis zu den Einwohnerzahlen der alten und neuen Bundesländer setzt, dann stellt man fest, dass die Zahl der Übergriffe in den neuen Bundesländern signifikant, nämlich fünfmal höher liegt. Zwar sind die rechten Gewalttaten mit Todesfolge glücklicherweise rückläufig, aber die ostdeutschen Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt berichten, dass sich die Zahl rechter Übergriffe seit Jahren auf einem skandalös hohen Niveau bewegt.

Verstehe ich Sie richtig, dies ist die Grundlage für Ihren Beitrag? Dies ist Ihre Legitimation zur pauschalen Beurteilung von ganz „Ostdeutschland“? Dann ist es sicherlich nach Ihrer Sichtweise auch vollkommen ok zu behaupten, dass komplett Westdeutschland ein einziger Drogensumpf ist? Wie ich darauf komme? Im Drogen- und Suchtbericht 2011 (PDF) findet sich auf Seite 56 folgende Statistik des Bundeskriminalamtes

Wie Sie unschwer feststellen werden, so liegt die Anzahl der Drogentotesfälle in den „westlichen“ Bundesländern überproportional über denen in den „östlichen“ Bundesländern. Warum machen Sie darüber nicht einmal einen Bericht und warnen vor dem Betreten von „Westdeutschland“?

Finden Sie falsch? Richtig, das wäre vollkommen albern und absolut unsinnig und an der Realität vorbei. Hm, merken Sie etwas?

Wenn unser Beitrag Ihrer Meinung nach die Auseinandersetzung mit dem Problem des Rechtsextremismus nicht gefördert hat, tut uns das leid. Wir können Ihnen aber versichern, dass wir an diesem sensiblen Thema dran bleiben.

Ihr Bedauern ehrt Sie, kommt mAn aber zu spät. Sie hätten mit der Erstellung des Beitrages und einer objektiven Berichterstattung die Chance gehabt, das Thema journalistisch sauber zu aufzubereiten. Dies ist Ihnen jedoch leider nicht gelungen. Dass es ein sensibles Thema ist, ist Ihnen sicherlich spätestens nach den vielen Wortmeldungen Ihrer Zuschauer bewusst geworden. Schade, dass Sie die Möglichkeit, das Thema „geradezurücken“, nicht wirklich gut genutzt haben…

 

weitere Berichte/Artikel zur Stellungnahme:

Blogsichtung: braunes Nazi Nest Jena – die Reaktionen auf den ZDF „aspekte“ Beitrag

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