Am gestrigen Abend zwitscherte ein Tweet von Volker Beck (@Volker_Beck) durch meine Timeline, welcher mich etwas irritierte. Er schrieb:
einen shitstorm später ist man schlauer + weiß wieder + noch genauer, warum Juden einen jüdischen Staat als Zuflucht brauchen #beschneidung
— Volker Beck (@Volker_Beck) Juni 27, 2012
Der Hash-Tag gibt schon Aufschluss, um welches Thema es ging. Die Schlussfolgerung in diesem Tweet fand ich schon etwas seltsam. Kurz darauf kam ein weiterer Tweet, der mich – von einem deutschen Politiker – dann doch sehr verwunderte. Der Tweet war eine Antwort auf Nachfrage von Matthias Bauer (@moeffju). Matthias fragte auf obigen Tweet hin:
@Volker_Beck WTF, seriously! Man braucht einen jüdischen Staat, damit man Menschen ohne Zustimmung aus religiösen Gründen verstümmeln kann?
— Matthias Bauer (@moeffju) Juni 27, 2012
Ich persönlich hätte zwar nicht den Begriff ‚verstümmeln‘ gewählt, da ich darunter etwas anderes verstehe. Beschneidung wird ja auch bei medizinischen Gründen durchgeführt und ich glaube nicht, dass sich die Betroffenen als verstümmelt betrachten. Die Nachfrage an sich war aber mAn dennoch gerechtfertigt. Volker Beck antwortete wie folgt:
.@moeffju Damit man Jude sein kann. Lies mal in der Bibel die Begründung des abrahamitischen Bundes1. Mose 17: 12 die-bibel.de/bibelstelle/ge…
— Volker Beck (@Volker_Beck) Juni 27, 2012
Diese Aussage finde ich dahingehend kritisch, da es impliziert, dass die Aussagen in der Bibel jedwedes Handeln legitimieren. Die von Volker Beck als Grundlage aufgeführte Bibelstelle ist das 1. Buch Mose (Genesis) 17:12
Jedes Knäblein, wenn’s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen. Desgleichen auch alles, was an Gesinde im Hause geboren oder was gekauft ist von irgendwelchen Fremden, die nicht aus eurem Geschlecht sind.
(Quelle: Bibelübersetzung: Luther Bibel 1984, Deutsche Bibelgesellschaft)
.
Man muss über Volker Beck wissen, dass er sich sehr für Menschenrechte engagiert – umso irritierender seine Aussagen in diesem Fall. Zudem darf ich davon ausgehen, dass er als deutscher Politiker und aktueller Mandatsträger im deutschen Bundestag die Gesetze des Landes achtet. In diesem Zusammenhang sei das Grundgesetzt mit Art 2 (2) der Bundesrepublik Deutschland zitiert:
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(Quelle: gesetze-im-internet.de)
Auf meine Nachfrage
@Volker_Beck Ich respektiere religösen Glaube. Warum aber nicht jeden im entsprechenden Alter selbst entscheiden lassen? /@moeffju
— Steve Rückwardt (@SteveRueck) Juni 27, 2012
antwortete er lediglich
@SteveRueck die-bibel.de/bibelstelle/ge…@moeffju
— Volker Beck (@Volker_Beck) Juni 27, 2012
Der Link ist exat der gleiche wie aus seiner Antwort an Matthias. Davon ausgehend, dass ich mich evtl. falsch ausgedrückt habe fragte ich konkreter nach:
@Volker_Beck Ich hab das Wohl gelesen, danke. Aber ist körperliche Unversehrtheit nicht ein wesentlich höheres Gut? #justsaying /@moeffju
— Steve Rückwardt (@SteveRueck) Juni 27, 2012
Leider erhielt ich bis dato hierzu keine Antwort.
Was bleibt für mich aus diesen Aussagen als Erkenntnis? Offenbar empfindet Volker Beck es als legitim, Aussagen aus der Bibel höher zu werten als deutsche Gesetze.
Und um Missverständnisse gleich auszuschliessen: es geht mir nicht (!) um das Führen einer Diskussion über religöse Riten sondern um den Umstand, dass ein Abgeordneter als Begründung einer bestimmten Handlung, Bibelstellen als Legitimation anführt, anstatt Gesetzestexte hierfür heranzuziehen. Aus meiner Sicht ist dies sehr bedenklich…
Was meint Ihr? Legitim? Geht gar nicht? Irgendwas zwischendrin?
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Natùrlich kann er Bibelstellen zitieren, wenn er das möchte. Aber du hast recht, dass der Zusammenhang schon sehr weit hergeholt und wenig überlegt ist.
Das viel größere Problem sehe ich allerdings, dass der Herr anscheind nicht so Bibelfest ist wie er gerne behauptet.
Denn, Jesus ist auf die Welt als Sohn Gottes gekommen, um uns von solchen „Riten“ zu befreien. Wir, als Christen, müssen nicht aktiv etwas tun, um Gottes Liebe zu empfangen. (Nachzulesen insbesondere im Epheser Brief.) Jesus hat uns davon frei gemacht bestimmte Normen, wie Beschneidung, Einhaltung vom Sabbat, kein Alkohol,auf bestimmtes Essen verzichten usw.
Also sollte doch der Herr Politiker bitte die Bibel im Kontext des neuen Testaments lesen und auch zitieren.
An erster Stelle möchte ich Steve für den lesenswerten Beitrag danken :-)
Es stimmt schon,
der Herr Beck ist hier, denke ich, was das Judentum angeht einfach übersensibel.
Von Muslimen verlangt man immerzu, dass sie das Grundgesetz als Gesetzestext höher werten sollten als den Koran. Wenn es um Juden geht, scheint ein Verweis auf das alte Testament auszureichen um Regelungen des Grundgesetzes außer Kraft zu setzen.
Ich habe im Prinzip nichts gegen die Beschneidung von Kindern, aber man sollte eine gesetzliche Lösung finden, die das Grundgesetz möglichst nicht aufweicht.
Eine Beschneidung im Erwachsenenalter würde als Möglichkeit nur dann in Betracht kommen, wenn sie aus der jüdischen Glaubensanhängerschaft selbst kommt (wie die Wiedertäuferbewegung im Christentum).
Rein theoretisch könnte man zur Beschneidung Reisen in Länder subventionieren, in denen die Beschneidung zweifelsfrei legal ist.
Allerdings gibt es bestimmt auch Möglichkeiten, das gesetzlich in Deutschland zu regeln.
An dieser Stelle möchte ich auch darauf verweisen, dass es auch Juden gibt, die die Beschneidung im Kindesalter kritisch sehen. Laut FAZ (faz.net/-gpg-70xuh) ca. 1/3 der jüdischen Eltern Israels.
@ Anna:
Sehr lustig. Nur ist es für die jüdische Glaubenspraxis, ca. 5 Milliarden Menschen weltweit und dem deutschen Verfassungsstaat vollkommen irrelevant was Jesus angeblich gemacht haben soll ;-)
Ich stelle mir mal folgende fiktive Situation in der Zukunft vor:
Die Grünen haben erfolgreich mit anderen Parteien zusammen ein Gesetz durchgebracht, das die Beschneidung von minderjährigen Jungen aus religiösen Motiven grundsätzlich erlaubt.
Ein 11-jähriger muslimischer Junge will sich dem Ritual jedoch nicht unterziehen. In seiner Verzweifelung haut er von zuhause ab. Er wird auf der Straße von der Polizei aufgegriffen und wieder in die Fürsorge seiner Eltern überführt. Daheim angekommen steht bereits das komplette Instrumentarium für den Eingriff bereit. Alternativ dazu möge man sich vorstellen dass der Junge in das nächste Kreiskrankenhaus eingeliefert wird, wo er bis zur Operation am nächsten Tag fixiert wird. Alles ganz legal, die Eltern handeln im Rahmen ihrer Religionsfreiheit und im Rahmen der nun neu geregelten elterlichen Fürsorge, der Arzt besitzt aufgrund der neu geschaffenen Gesetzeslage auch volle Legitimation. Im Zweifelsfall wird eben eine leichte Phimose diagnostiziert.
Bei dieser Vorstellung wird mir kotzübel