Der (leider) von vielen immer noch als bieder und verstaubt geltende Sender ZDF, fällt mir in letzter Zeit immer mehr mit sehr spritzigen, jungen und dynamischen Formaten auf. Auf den Spartensendern wie ZDFneo oder ZDFkultur laufen sehr sehenswerte Formate wie neoParadise, Roche & Böhmermann oder auch Bambule (uvm.). Auch gibt es dort Sendungen zu sehen, welche einen „offiziellen“ HashTag bekommen und dieser auch zu Beginn der Sendung eingeblendet wird. Darüber kann dann alles bei Twitter verfolgt werden, was mit diesem HashTag versehen wird und man erhält einen schönen Überblick, was man über die Sendung/den Film so ausgetauscht. Klingt simpel, ist aber noch immer eine Seltenheit im deutschen TV.
SocialTV
Nun geht das ZDF einen Schritt weiter: Im heutigen Morgenmagazin des ZDF ging es um ein Thema, um das es auf dem hiesigen Fernsehmarkt noch eher still ist: SocialTV. Social was?
SocialTV ist in anderen Ländern wie USA oder Grossbritanien schon recht verbreitet und wird dort auch rege genutzt. Ich hatte hier bereits kürzlich etwas zum Thema SocialTV im Zusammenhang mit der Oscar-Verleihung geschreiben. Aber schaut Euch – wer es noch nicht gesehen haben sollte – zunächst erst einmal den Ausschnitt aus dem heutigen ZDF Morgenmagazin an:
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Wer bei Minute 2:12 und 3:03 genau aufpasst versteht dann auch, was dieses #fupp ist, dass heute den Tag auf Twitter bestimmt hat und sogar Platz 1 der Trending Topics war.
Wie in dem kurzen Einspieler recht gut verständlich gemacht wurde, so ist SocialTV die Verknüpfung von TV und den Zuschauern – angereichert um Zusatzinformationen zum Film bzw. zur Sendung sowie live Aktivitäten der Menschen vorm Bildschirm. In einer „kleinen Form“ kann man dies z.B. jeden Sonntag auf Twitter verfolgen, wenn der HashTag #tatort die Timelines bestimmt und sich die Zuseher des Krimiformates über den aktuell laufenden Tatort austauschen.
„Die letzte Spur“ und der Second Screen
Etwas weiter geht nun das ZDF mit seiner neuen Sendung „Die letzte Spur“ – einer Krimi-Serie, bei welcher der Zuschauer mitermitteln kann und auch soll, wie man im obigen Video ja bereits kurz sehen konnte. Ich hatte die Möglichkeit, heute einen Vorab-Blick auf die ersten beiden Folgen zu werfen sowie den „Second Screen“ zu testen. Am Second Screen wird derzeit noch fleissig geschraubt und gearbeitet, so dass noch nicht alles zu 100% final ist, sich also Bezeichnungen oder Ansichten ändern können. Nachstehend aber schon einmal ein paar visuelle Eindrücke (Bild durch anklicken vergrössern):
Der Second Screen zu „Die letzte Spur“ – also der Teil, in dem der Zuschauer agiert, ist in verschiedene Bereiche eingeteilt. Rechts befindet sich der Chat, in dem die Zuschauer sich untereinander austauschen können. Neben dem dortigen Chat findet man auch einen Reiter mit Hinweisen zum aktuellen Geschehen, einer Liste für seine Freunde, den Top20 sowie einem Twitter-Reiter.
Die Kommentare im Chat kann man mit einem Stern bewerten – ähnlich dem Favstar bei Twitter. So wie ich es verstanden habe, werden dann die Kommentare mit den meisten Sternen in der Top20 Liste entsprechend aufgeführt. Die Freundesliste konnte ich nicht testen, da ich noch keine Freundschaften in diesem kurzen Testzeitraum knüpfen konnte.
Im Twitter-Reiter werden später alle Tweets mit dem HashTag #letztespur einfliessen – dies war zum Test noch nicht aktiv bzw. gab es keine Tweets mit diesem HashTag.
Der grösste Bereich (links) besteht aus einer Art Koordinatensystem, eingeteilt in „Opfer“, „Täter“, „Freund“ und „Feind“. Sobald ein Protagonist im Verlauf der Sendung auftaucht, ist dieser dann #fupp mit seinem Bild in der Leiste unterhalb des „Whiteboard“ genannten Koordinatensystems sichtbar und zusätzlich erscheint das Bild auch in der Mitte auf dem Nullpunkt beider Achsen. Von da aus kann man nun – frei nach Gespür und Vermutung – die Figur einer Rolle zuweisen. Also glaubt man, dass es der Täter ist oder eher ein Freund usw.
Während man die jeweilige Figur innerhalb des Whiteboards bewegt sieht man das „Wärmebild“ der Community zu diesem Protagonisten. Also wie bei einer Wärmebildkamera: je röter die Fläche ist, um so mehr Wärme bzw. in diesem Fall um so mehr Zuschauer haben die Position zugewiesen. Dies hilft einem selbst etwas bei der Orientierung, jedoch kann man auch vollkommen davon abweichen und in eine ganze andere Richtung agieren. Die Vielzahl der Meinungen muss schliesslich nicht zwingend die richtige sein.
Neben dem Whiteboard kann noch auf die Reiter „Wärmebild“ und „Dossier“ gewechselt werden. Bei Wärmebild ist das Whiteboard der markierten Person exklusiv zu sehen und unter Dossier (die Bezeichnung wird gffs. noch geändert) finden sich Zusatzinformationen zu dieser Person in der Serie.
Der Second Screen läuft immer parallel zur Ausstrahlung im TV (Start diesen Freitag um 21:15 Uhr). Mittig, im unteren Bereich des Second Screen läuft ein Counter von Beginn an mit. Ist man der Meinung, alle Figuren der Serie ihrer Rolle zugewiesen zu haben, kann man jederzeit „lösen“ und friert damit seine Zuordnung ein. Im Test hat dies auch wunderbar funktioniert.
Dass vor dem Einfrieren (Lösen) der Hinweis kommt, dass man sich die frühzeitige Lösung gut überlegen solle, da man danach nichts mehr ändern könne, man jedoch dafür mehr Punkte erhalte wenn man bereits frühzeitig löst, lässt darauf schliessen, dass das Ganze auch mit Punkten belohnt wird und letztlich auch ein kleiner Wettbewerb unter den Zuschauern entsteht. Dies war im Test jedoch nicht ersichtlich, somit kann ich hier nur vermuten.
Die Serie selbst – ich kann jetzt nur für die ersten beiden Folgen sprechen – ist an sich jetzt nichts vollkommen Neues. Eine Krimi-Serie eben, welche in 45 Spielminuten die Spannung aufbaut und den Zuschauer den Täter suchen lässt. Kennt man, mag man oder eben auch nicht.
Das Ermittler-Quartett bestehend aus den Schauspielern Hans-Werner Meyer, Jasmin Tabatabai, Susanne Bormann und Florian Panzner präsentiert sich für meinen Geschmack gut und auch der Spannungsbogen ist sehr gut gemacht. Es gibt stellenweise auch im letzten Moment sehr interessante Wendungen. Aber ich will nicht zu viel verraten…
Hier zum „anschnuppern“ der Vorspann zur Serie:
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Ich finde ja Jasmin Tabatabei äusserst sympathisch, für mich also schon ein guter Grund, die Serien zu verfolgen.
Kritikpunkte
In der kurzen Testzeit sind mir ein paar Kleinigkeiten aufgefallen, welche ich nicht ganz so optimal finde. So gibt es im Chat keine Möglichkeit, direkt auf den Kommentar eines anderen Nutzers zu antworten. So ging im Test mit den anderen Nutzern für mein Empfinden stellenweise der Zusammenhang verloren, da nicht erkennbar war, auf was bzw. wen sich manche Aussagen beziehen. Ich habe mir immer mit einem @ und dem Nutzernamen beholfen, was jetzt auch nicht so ungewöhnlich ist. Da jedoch in der „Live-Phase“ auch mit Nutzern zu rechnen ist, die nicht ganz so affin und firm mit solchen Möglichkeiten sind, werden wohl nicht viele diese Methodik der Ansprache über @ + Nickname nutzen.
Weiterhin ist es derzeit auch noch nicht geplant, dass die Kommentare zeitgleich zu Twitter gesandt werden können. Ich persönlich fände dies praktisch, kann ich so auch ausserhalb des Second Screen meine Kommentare an meine Timeline bei Twitter senden. Über diese Funktionalität kann man natürlich geteilter Meinung sein. Dies mal meine 2 Cent dazu.
Fazit
Krimi-Serie – ok. Lockt warscheinlich niemand zwingend hinterm Ofen vor. Aber in der Kombination mit dem Second Screen und dem Social-Part sowie der Tatsache, dass der Zuschauer nicht nur im Kopf und mit der Familie am Wohnzimmertisch über mögliche Opfer und Täter spekulieren, sondern mit vielen hunderten oder gar tausenden Zuschauern seine Vermutungen teilen kann, macht das Ganze sehr spannend.
Zudem ist diese Art der Einbindung des Zuschauers in der deutschen Fernsehlandschaft noch recht frisch und man muss hier auch noch Erfahrungen sammeln. Einerseits technischer Art aber auch, wie das deutsche Publikum die Sache aufnimmt und lernt, mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Ich finde es gut, dass TV-Sender den Mut haben, solche Wege zu gehen.
Ich für meinen Teil bin sehr gespannt, wie sich das Format beim ZDF aber auch das Thema SocialTV im Allgemeinen in Deutschland entwickelt. Es ist sehr zu wünschen, dass es wächst und gedeiht! Auf das es #Fupp´t.
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