Wir sind Papst! So titelte eine grosse deutsche Boulevard-Zeitung nach dem der Deutsche Joseph Ratzinger zum Papst gewählt wurde. Für viele Gläubige ist er eine Instanz, sie pilgern nach Rom um ihn sprechen zu hören oder jubeln ihm auf diversen anderen kirchlichen Feierlichkeiten zu.
Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Sicherlich kann man über die Politik des Vatikan an vielen Stellen diskutieren, dies soll jedoch nicht das Thema dieses Artikels sein. Religion zum Thema eines Artikels machen ist nicht immer ratsam, und ich mache die Religion auch nicht zum Thema. Dies will ich von Anfang an klarstellen. Es geht mir hier um die Fakten den Besuch betreffend!
Der „heilige Vater“ kommt nach Deutschland! Keine neue Schlagzeile, wird es doch schon seit Wochen in den Medien hoch und runter berichtet. Alles schön und gut und viele Gläubige in Deutschland freuen sich auf diesen Besuch und werden an den Messen u.a. im Berliner Olympiastadion teilnehmen – für Berlin werden 70.000 Gläubige erwartet. Also alles wunderbar?
Nein, denn es gibt eine Seite dieses Besuches, die mich persönlich stört, mehr noch – sie ärgert mich. Der Papst-Besuch an sich ist ok, dagegen ist nichts einzuwenden, wenn… ja wenn da nicht die Kosten wären. Die Kosten des Besuches werden auf 25-30 Millionen EUR geschätzt. Dies soll jedoch nur der Teil sein, den die zuständigen Bistümer aufbringen müssen. Hinzu kommen die Kosten für Sicherheit etc. welche zu Lasten des jeweiligen Bundeslandes und im Fall von Berlin auch zu Teilen zu Lasten des Bundes selbst gehen. Also Steuergelder.
Ganz ehrlich: selbst wenn es „nur“ 5 Millionen EUR wären – ist es das wert? Muss das tatsächlich sein?
Ich weiss, auch bei anderen Staatsbesuchen fallen recht hohe Kosten an, welche meiner Ansicht nach vollkommen überzogen sind und in vielen Fällen sicher vermieden werden könnten. Dieses Thema sollte allgemein einmal überdacht werden. Im Falle des Papstes, dem Oberhaupt der katholischen Kirche, ist der Umstand nochmal ein besonderer. Ich habe Kirche bisher immer als soziale Einrichtung verstanden. An vielen Stellen liest man auch, wie sich die Kirchen engagieren. Gut so! Und ein guter Grund erneut zu fragen: muss der Aufwand für diesen Besuch sein und sind die daraus folgenden Kosten zwingend notwendig?
Winfried Kretschmann, amtierender Ministerpäsident von Baden-Würtemberg, einem der Bundesländer denen der Papst einen Besuch abstattet sagt dazu in einem Interview mit der katholischen Nachrichtenagentur:
Es kann doch nicht ernsthaft darüber diskutiert werden, ob die Kosten für die Sicherheit eines Staatsgastes bezahlt werden sollen. Schließlich sind wir für seine Sicherheit verantwortlich. (Quelle: SWR)
Der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki verteidigt die Kosten mit folgenden Worten:
Damit 70.000 Menschen im Olympiastadion und Millionen Menschen in aller Welt mitfiebern können, müssen wir viel Geld in die Hand nehmen.
und ergänzt, dass die Kosten nicht
zu Lasten unseres sozialen und caritativen Engagements gehen (Quelle: rbb)
Beide Aussagen kann ich nicht nachvollziehen. Herr Kretschmann hat sicherlich Recht wenn er sagt, dass man für die Sicherheit verantwortlich sei. Fragt sich nur, ob der Besuch und damit die notwendigen Sicherheitsmassnahmen überhaupt notwendig sind! Herrn Woelkis Aussage halte ich für absolut daneben, im Besonderen da er ein „Mann Gottes“ ist. Was rechtfertigt es, was rechtfertigt diesen Besuch?
Mit einer Millionen Euro kann man vielen armen und hilfbedürftigen Menschen auf dieser Welt helfen. Und hier geht es nicht um 1 Millionen sondern um geschätzte (!) 25-30 Millionen Euro. D.h. es könnte durchaus auch noch mehr werden. Die Kosten der Länder und des Bundes sind hierbei noch gar nicht berücksichtigt. Damit könnte man soviel Gutes tun. Dinge die sich auch nachhaltig auswirken, Menschen dauerhauft aus Hunger und Armut helfen.
Wäre es nicht ein Zeichen von Barmherzigkeit, wenn der Past im Vatikan bleibt, man die offenbar so wichtigen politischen Dinge mit Hilfe moderner Telekommunikation klärt. Auch die vielen Gläubigen müssen nicht zu kurz kommen. Der Papst könnte eine Messe im Vatikan abhalten, welche live übertragen wird. Auch das wird Kosten verursachen, keine Frage. Diese werden aber mit Sicherheit nur einen minimalen Bruchteil der Kosten für den Besuch betragen. Wo ist nun die Barmherzigkeit?
Barmherzig wäre es, das Geld, welches die Bistümer sparen dann in soziale Projekte zu investieren – im Inland aber auch im Ausland. Damit würde man meiner Ansicht nach etwas tun, was ich persönlich zu den Aufgaben einer Kirche zähle. Auch das gesparte Geld der Bundesländer könnte sinnvoll eingesetzt werden. Schuldentilgung oder Investition in Bildung sind hier nur zwei von sicherlich vielen Möglichkeiten, die Millionen wesentlich sinnvoller und effektiver zu investieren.
Glaube kann helfen und ich bin mir bewusst, dass viele in der Person des Papstes einen Halt finden und sich durch den Glauben welchen er vermittelt durch schwere Zeiten retten und es ihnen das Leben erleichtert. Diese Mission muss doch aber nicht um jeden Preis bestritten werden. Man kann es auch auf anderem Wege erreichen und mit den Millionen wesentlich caritativer handeln.
Welchen Sinn hat dieser Besuch? Was rechtfertigt diesen Aufwand und diese Kosten? Bitte einmal ausgiebig, ernsthaft und tiefgründig darüber nachdenken – ich bin für konstruktive Argumente gern zu begeistern.
Hallo Steve,
du bringst viele Argumente, die ich ohne weiteres unterschreiben kann. Aber ein Punkt ist mehr oder minder falsch:
„Ich habe Kirche bisher immer als soziale Einrichtung verstanden.“
Äh, nein. Zum Mindest nicht ausschließlich, das wäre naiv. Die katholische Kirche unterhält karitative Einrichtungen und Bildungseinrichtungen und tausend andere Dinge. -Zu glauben, dass das der reinen Nächstenliebe geschuldet ist, wäre kurzsichtig. (Warum gibt es kirchliche Kindergärten und Schulen zusätzlich zu den Staatlichen?) Wer ausschließlich Nächstenliebe unterstützen möchte, der weiß, dass er lieber an Unicef spendet.
„Religion zum Thema eines Artikels machen ist nicht immer ratsam, und ich mache die Religion auch nicht zum Thema“
Ist auch gar nicht nötig. Das passiert automatisch, wenn es um den Papst geht.
Die katholische Kirche ist Verwalterin religiöser, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht. Diese Macht möchte sie auch behalten. Das ist ihre Hauptfunktion und eine Tatsache, ob uns das gefällt oder nicht. In Deutschland sind immerhin 30% der Menschen Mitglied der katholischen Kirche. Sie stellen somit die größte religiöse Gruppe. Wer als solches an Aktionen wie dem Besuch des Papstes oder anderen Dingen Anstoß nimmt, hat jede Freiheit „mit den Füßen abzustimmen“ und auszutreten.
Bleiben noch die Kosten des Bundes. So ein Besuch ist teuer, klar. Wer die Kosten für die Sicherheit dieses Gasts kritisiert würde sich vermutlich auch gegen Kosten aussprechen, die andere Länder für ihre Monarchien ausgeben oder sonstigen repräsentativen Pomp. (Man möge mir diesen hinkenden Vergleich verzeihen.) Monarchien haben jedoch, genauso wie Papstbesuche, immer auch eine gesellschaftliche, genauer identitätsstiftende Wirkung. Das sagst du selbst. Moderne Technik kann soetwas nicht ersetzen. Der Papst ist , wie gesagt, Oberhaupt einer einflussreichen, für manche Menschen wichtigen, „Organisation“, die jede Menge wirtschaftliche Macht in Deutschland hat, gehören ihr doch zahlreiche Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen, Verlage usw. (Sollte man diesen Einfluss nicht lieber kritisieren?) Selbst Konfessionslosen sollte somit an einem Klima des Dialogs gelegen sein. -Selbiges gilt ebenso für die evangelische Kirche.
Mir persönlich ist die katholische Kirche ziemlich egal und der Papst kann bleiben wo der Pfeffer wächst. Ich unterstütze prinzipiell die Kritik, aber das alles sind Dinge, die man bedenken muss.
Viele Grüße, Christina
Hallo Christina,
nun, sooo falsch war meine Aussage nicht. Ich schrieb, dass ich (!) Kirche bisher so verstanden habe.
Das man in der Kirche nicht alles aus purer Nächstenliebe tut ist mir bewusst.
Man kann viele Dinge der Kirche kritisieren: Sexualpolitik, Umgang mit den Missbrauchsfällen, Machtmissbrauch etc. Aber dies wollte ich eben nicht zum Thema machen.
Die katholische Kirche ist nicht nur in Deutschland die grösste religöse Gruppe, sondern weltweit, wenn ich dies richtig weiss. Im Artikel habe ich auch erwähnt, dass ich das Interesse der Gläubigen durchaus verstehen kann. Auch ist mir klar, dass ein persönlicher Besuch eine ganz andere Wirkung hat, als wenn es „nur“ via TV übertragen wird. Das ist für mich aber nicht wirklich ein Argument.
Wir leben in einer Welt, in der Armut, Hunger und Not täglich Thema sind (auch wenn Medien nicht täglich darüber berichten) und man kann mit soviel Geld eben einfach mehr und mAn wichtigere Dinge tun. Viele, vor allem auch Jugendliche, jubeln dem Papst zu und hören auf seine Worte. Wie „cool“ wäre es da, wenn er sagen würde: „Liebe Gläudige, ich weiss wie sehr Ihr Euch über einen Besuch von mir freuen würdet. Aber stimmt Ihr mir zu, dass man dem dem vielen Geld was dieser Besuch kosten würde so vielen Menschen helfen kann, deren Armut und Leid zu lindern. Deswegen lasst es uns tun und barmherzig sein“? Damit ein Zeichen setzen, dass ist das, was ich mit der Überschrift und dem Artikel an sich sagen will.