XING – die Social-Network-Plattform im Businessbereich. In Deutschland ist XING klare Nummer 1.

Ich nutze XING sehr intensiv und bin nahezu täglich auf der Plattform online. Wie bei allen Produkten auf dem Markt, so gibt es auch bei XING Punkte, die man – aus meiner Sicht – verbessern kann. Mit über 10 Millionen Mitgliedern, welche bei XING aktuell registriert sind, wird es für den Beitreiber jedoch recht schwierig, auf alle Nutzer-Wünsche einzugehen. An einige Dinge habe ich mich einfach gewöhnt (ja, soetwas gehört dazu :) ) und bei anderen Dingen hoffe ich, dass seitens XING diese Punkte aufgegriffen und in absehbarer Zeit umgesetzt werden.

Heute wurde ich dann über einen Tweet auf einen Artikel von Robert Basic aufmerksam. Der Titel:

Warum ein XING Wettbewerber gute Karten hat

Der Titel machte neugierig und ich las mir den Artikel durch. In einigen Punkten gebe ich Robert recht, andere Punkte teile ich jedoch nicht. Aber der Reihe nach.

XING und LinkedIn

XING hat bereits einen Wettbewerber. Wen? LinkedIn. Jedoch sehe ich LinkedIn als keine wirkliche Gefahr für XING an. Global gesehen hat LinkedIn mehr Nutzer als XING, dies kann meiner Ansicht nach aber nur daran liegen, dass XING nicht in allen Märkten so aktiv ist wie in Deutschland.

Warum ich LinkedIn für nicht konkurrenzfähig halte? Das sind warscheinlich mehr subjektive Gründe. Aus meiner Sicht ist die Usabillity der Plattform von LinkedIn nicht besonders gut. Ich würde mich schon als recht web- und erst recht SocialMedia affin bezeichnen. Dennoch habe ich mit den LinkedIn Profilen und Funktionen so meine Probleme. Wie geht es da Anwendern, die vielleicht eine geringere Web-Affinität aufweisen? Dass die Oberfläche teilweise vom Deutschen ins Englische wechselt ist hierbei noch eines der kleineren Dinge, welche ich als störend empfinde. Die Schilderung von Cem Basman zeigt mir aber, dass es mir nicht allein so geht. :)

In seinem Artikel führt Robert als negativ auf, dass XING recht spät damit begonnen hat, sich als Job-Netzwerk zu platzieren, und LinkedIn dies bereits viel früher erkannt habe. Damit hat er sicher recht, aber auch LinkedIn ist mir – zumindest in Deutschland – nicht vorrangig als Jobplattform bekannt. Auch glaube ich, dass XING der Stellenmarkt sicherlich wichtig ist, aber die Plattform nun nicht primär als Stellenbörse gesehen werden möchte.

Warum Interaktion nicht zwingend die Lösung ist

Was mich in seinem Artikel jedoch vielmehr beschäftigt hat, war der Punkt der Kontaktvermittlung und Stärkung. Robert schreibt:

im Bereich der geschäftlichen Auftrags-Kontaktvermittlung liegt für einen Wettbewerber der beste Ansatzpunkt, da sowohl LinkedIn und Xing größte Schwächen aufzeigen

Diese Aussage begründet er – und nun wurde es für mich besonders interessant – mit dem SocialGraph von facebook. Der SocialGraph zeigt, wenn man es einfach umschreibt, die Verbindung zwischen Menschen und Menschen/Dingen an. Also z.B. welche meiner Freunde mögen dieses Restaurant auch, welche meiner Freunde finden den Sänger auch gut etc.  Als ein Beispiel führt er hier die Timeline von facebook auf. Durch die multimediale Vielfalt der Nachrichten der Freunde, ist diese tatsächlich ein sehr zentraler Punkt von facebook. Sein Statement dazu:

Die simpelste und wichtigste Mensch-Funktion ist dabei: “wen wir häufiger bei seinem Tun beobachten, dem fühlen wir uns näher und mehr miteinander verbunden”

In diesem Punkt gebe ich ihm auch vollkommen recht. Es regt zu Kommentaren an, wenn man die verschiedenen Dinge von seinen Freunden liest. Auch bin ich der Meinung, dass die Interaktion der Kontakte untereinander auf facebook um ein Vielfaches höher ist, als bei XING.

Aber genau an diesem Punkt stellt sich mir die Frage, ob wir solche Funktionalitäten tatsächlich bei XING wollen?

Wie ich oben bereits ausgeführt habe, so nutze ich XING sehr intensiv. Natürlich habe ich auch einen facebook-Account, welcher tagtäglich genutzt wird. Jedoch unterscheide ich sehr stark zwischen meinen Aktivitäten auf facebook und denen auf XING. Um es vorweg zu nehmen: ich mag beide Plattformen sehr, trenne jedoch ebenso stark meine Beweggründe der Nutzung.

facebook ist für mich mein rein privates Netzwerk. Ich kommuniziere hier mit Freunden und diese Interaktion ist mir wichtig und ich finde die Möglichkeiten, welche facebook hier bietet sehr gut. XING hingegen nutze ich geschäftlich, eben auch, weil es genau dafür gemacht ist. Es ist ein Business-Netzwerk. Hier möchte ich schlichtweg keine “Timeline”, wo mir Lieblingsvideos oder Bilder präsentiert werden. Warum also sollte XING hier etwas ändern?

Sicherlich ist meine Sichtweise nicht der Status Quo und ich zähle nur zu einer von vielen unterschiedlichen Nutzergruppen auf der jeweiligen Plattform. Betrachtet man die Sache jedoch genauer, so glaube ich, dass XING von vielen Anwendern überwiegend tagsüber zur Kommunikation mit Geschäftspartnern und Kollegen genutzt wird und man sich auch in der ein oder anderen Gruppe mit Gleichgesinnten austauscht. Reicht das nicht, für die geschäftliche Ebene?

Warum sind Anwender bei XING

Weiter schreibt Robert, die Interaktion z.B. über die Timeline

bietet Anlass für Kommunikation, für Gespräche, für Kontakte. Mit der Dauer entsteht nicht nur Vertrauen, sondern u.U. sogar auch Freundschaft

Auch hier hat er meiner Ansicht nach Recht. Aber sucht man auf XING primär nach Freundschaften? Ich denke nicht. Das Vertrauen ist da schon ein wesentlich wichtigerer Punkt, aber soetwas wird im geschäftlichen Bereich nicht durch eine Interaktionsmöglichkeit geschaffen. Im Geschäftsleben zählen andere Faktoren, welche sich meiner Ansicht nach, nicht ganz so einfach elektronisch abbilden lassen.

Auf einer Geschäftsplattform erwarte ich auch ein gewisses Mass an Seriösität. Sicherlich gibt es auf XING z.B. auch Gruppen, welche keinen geschäftlichen Zweck haben. Dies ist mir dann aber bekannt, bevor ich der Gruppe beitrete. Im Grossen und Ganzen ist XING eine Plattform, auf der es um geschäftliche Kontakte geht.

Meine Erfarung als Moderator verschiedener XING Gruppen und auch allgemein in Gesprächen mit meinen Kontakten hat mir bisher gezeigt, dass viele Anwender schlichtweg überfordert sind mit den Funktionalitäten der unterschiedlichen Plattformen. Viele kennen die einfachsten Funktionen nicht geschweige denn wissen, wie man diese nutzt.

Im Privatbereich finden sie es vielleicht noch witzig, tolle Bilder der letzten Party oder vom Nachwuchs der Freunde “vorgesetzt” zu bekommen. Aber dies auf XING?

Ideen was XING anders machen kann

Das nicht alles perfekt ist bei XING, hatte ich ja bereits angedeutet. Klar gibt es auch für mich Punkte, welche man verbessern könnte. Das Thema des persönlichen Postfaches ist z.B. so ein Punkt, welcher meiner Meinung nach noch weiter verbessert werden könnte.

Aber auch das Thema eines SocialGraph ist – zumindest in Ansätzen – gar keine schlechte Idee. XING bietet z.B. die Möglichkeit, dass man seinen Kontakten Referenzen ausstellt. Diese Funktionalität muss ich jedoch selbst anklicken, um zu sehen, ob jemand Referenzen hat und wenn ja, welche und von wem. Dies könnte man z.B. dahingehend ändern, dass bei Aufruf eines XING Profils etwas prominenter dargestellt wird, dass die Person, dessen Profil gerade aufgerufen wurde, bereits Referenzen hat. Sind diese von einem direkten Kontakt oder vielleicht auch einem Kontakt 2. Grades, könnten z.B. deren Profilbilder angezeigt werden o.ä.

Die Statusmeldung beschreibt Robert als Krücke, da über diese nur wenig bis gar keine Interaktion mit dem eigenen Netzwerk möglich ist. Da hat er recht, interagieren lässt hierüber nicht sehr viel. Man kann direkte Nachrichten an den Kontakt aus der Statusmeldung heraus schreiben. Mehr nicht. Braucht man mehr? Ich persönlich nicht.

Was möchte ich denn von meinem geschäftlichen Netzwerk wissen? Hat sich die Position oder gar der Arbeitgeber geändert, gibt es neue Kontaktdaten, ist die Person ggfs. umgezogen. All dies kann ich aus der Statusmeldung erfahren. Zumdem kann ich auch eigene Statusmeldungen erzeugen und in diesen auch mit Links arbeiten. Vollkommen ausreichend, wie ich finde.

In einem Vorschlag, was XING noch besser oder anders machen könnte, stimme ich Robert Basic voll zu. Er schreibt:

einer stärkeren Vernetzunsmöglichkeit (asymmetrisch und symmetrisch: Follow, Friending, Listening, Sharing)

Warum teile ich diese Ansicht? Das Thema Kontaktanfragen und Vernetzung ist für mich immer wieder ein wichtiger Punkt und nahezu täglich lehne ich Kontaktanfragen ab. Was ich detailiert zu diesem Sachverhalt denke, habe ich bereits in meinem Artikel zu Kontaktanfragen und warum man sich vernetzen möchte geschildert. Aktuell ist es nämlich leider so, dass mir die Verbindungen zwischen einem XING Mitglied und mir fast gar nichts mehr über die Verbindung aussagen. Auf facebook gibt es auch die Mentalität, mal eben eine Freundschaftsanfrage anzunehmen, auf XING finde ich dies noch viel “schädlicher”. Wenn man also hier verschiedene Stufen einer Verbindung realisiert, so wie Robert dies schon angedeutet hat, würde das die Verbindung, zwischen einem XING-Mitglied und einem Kontakt aus meinem Netzwerk, etwas übersichtlicher und auch aussagekräftiger machen.

Auch mit der Aussage

der Durst des Menschen nach Neuem ist unstillbar

hat Robert nicht unrecht. Aber wenn man dies als Grundlage nimmt, so kommt ein Plattformbetreiber mit Änderungen gar nicht mehr hinterher. Denn alles Neue ist eine zeitlang aufregend, wird aber schnell von “ich will noch mehr” abgelöst. Auch wird es immer einen Teil von Anwendern geben, die Änderungen gar nicht so toll finden. Dies soll nun aber nicht bedeuten, dass ich für Stillstand bin. Ganz im Gegenteil. Damit will ich nur sagen, dass Änderungen und der Wunsch nach Neuem nicht immer das Allheilmittel darstellen.

Fazit

Wenn man die Schwächen eines Produktes am Markt analysiert und dann diese Schwächen in Stärken umwandelt, indem man eben anders agiert, kann man durchaus zu einem Wettbewerber aufsteigen und dem etablierten Produkt Konkurrenz machen. Aber wenn dies so einfach wäre, hätten es bestimmt schon einige gemacht.

Roberts Ansichten kann ich in vielen Punkten nachvollziehen, wenngleich ich sie nicht in allen teile. Aber den Wert der Plattform machen immer noch die User aus. Und die sehen es meiner Einschätzung nach, nicht ganz so. In einigen Punkten gibt es klaren Verbesserungsbedarf, aber ich bin fest davon überzeugt, dass man dies in Hamburg auch weiss und mit Hochdruck an entsprechenden Baustellen arbeitet. Dass sich dies, bei einer Plattform, welche über 10 Millionen Nutzer mit den unterschiedlichesten Anforderungen hat, nicht immer einfach gestaltet, dürfte jedem klar sein.

Dass es ein neues Netzwerk hier also recht einfach haben dürfte und gute Chancen vorhanden sind, sehe ich nicht so. Der “Neuling” müsste mit ernormen Druck in den Markt und die Nutzer wirklich schnell und klar überzeugen können, warum es noch ein Netzwerk braucht und warum die Nutzer nun gerade zu diesem wechseln sollten. Genau das ist meiner Ansicht nach alles andere als trivial oder schnell umsetzbar.

Kommentare zum ursprünglichen Artikel:

Kommentare RFJ Xing Wettbewerber


Dieser Artikel wurde am 29.10.2010 um 20:36 Uhr von mir auf dem Blog regionalforum-jena.de veröffentlicht. Da dieses Blog eingestellt wurde, habe ich den Artikel am 08.06.2015 auf steve-r.de übernommen. Es wurden 2 Links angepasst.

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