Der Artikel wurde im April 2018 aktualisiert.

Das Internet und speziell das Social Web hat in den letzten Jahren einiges verändert. Nahezu jede_r ist in der Lage zu publizieren. Egal ob Texte, Bilder, Videos, Musik… Die Hürden sind relativ gering und erweitern somit die Möglichkeiten für viel mehr Leute, ihr Leben, ihr Hobby, ihre Leidenschaften zu teilen.

Gestern ging mal wieder ein Tweet durch meine Timeline, vielmehr ein ReTweet:

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Ein Tagesspiegel-Artikel wird dort empfohlen. Die Überschrift:

Das Zurschaustellen der eigenen Kinder im Internet ist Missbrauch

Wenn ein Artikel schon eine solche Überschrift hat, verspüre ich wenig Lust selbigen zu lesen (habe es letztlich dennoch). Eine derartige pauschale Aussage führt in den meisten Fällen zu nicht viel neuer Erkenntnis. Ich habe diesen Tweet mit dem Kommentar „So ein Bullsh…“ versehen und in meiner Timeline geteilt. Direkt darauf folgend schrub ich noch:

https://twitter.com/SteveRueck/status/588820398302724097

Auf meinen kommentierten ReTweet folgend entstand ein Twitterdialog mit Romy, die meinem Kommentar nicht zustimmte. Im Laufe der Diskussion, welche hier nachlesbar ist, kam oftmals das Thema auf, dass es ok wäre, wenn Kinder gezeigt werden, aber nicht ihre Gesichter. Auch hätten Kinder Rechte und Eltern Pflichten. Kinder können sich nicht gegen das wehren was ihre Eltern posten etc. etc.

Ich möchte das keinesfalls kleinreden, es ist mir schlicht nur zu pauschal, in Teilen zu kleinlich und in anderen Teilen erscheint es mir falsch. Da dieses Thema auch beim letzten ccb in einer Session thematisiert wurde, will ich diesen Artikel dazu nutzen, meinen Standpunkt dazu niederzuschreiben.

Sollen Kinder im Social Web stattfinden?

Kinder im Social Web (Quelle: geborgen-gewachsen.de)

Die grundlegende Frage die ich mir stelle: sollen Kinder im Social Web stattfinden? Meine Antwort: Ja, bitte. Sehr gern, unbedingt sogar!

Vorausschicken muss ich an dieser Stelle, dass ich (noch) keine eigenen Kinder habe. Aber In meinen Timelines, Feeds und Streams finde ich viele Eltern. Viele die das Leben mit ihren Kinder teilen. Viele, die auch ihre Kinder dabei zeigen. Ich finde das toll.

Verstossen diese Eltern nun gegen Rechte? Schaden diese Eltern ihren Kindern? Ich finde nein. Das Social Web hat uns in die Möglichkeit versetzt unser Leben, unsere Erfahrungen und Eindrücke mit anderen zu teilen. Dies kann die Familie sein, die evtl. verstreut in der Welt wohnt. Das können darüber hinaus Freunde und Bekannte sein, welche man gern an am eigenen Leben und den neusten Geschehnissen teilhaben lassen mag. Das kann aber auch die (potentiell) ganze Welt sein.

Ist das verwerflich? Ist das Teufelswerk? Ist das ein Rückschritt in der Geschichte der Menschheit? Nein, sagen da sicherlich viele, das ist toll. Ich sehe das genauso. Es ist absolut toll, diese Möglichkeiten zu haben. Und nun kommen Kinder ins Spiel und das ändert plötzlich alles?

Kinder sind Teil unseres Lebens, ein wunderschöner Teil sogar. Warum genau sollte man diesen Teil auslassen, verstecken, nicht stattfinden lassen? Dies erscheint mir absolut unverständlich und ich fände es sehr schade, würde dieser Teil aus dem Social Web verschwinden.

Verantwortung und Selbstverständlichkeiten

Da stehen nun die Argumente mit den Rechten des Kindes, der Verantwortung der Eltern, die Gefahren etc. im Raum. Ja, Kinder haben Rechte. Ja, Eltern haben Verantwortung und ja, es gibt da draussen in der Welt Gefahren. Menschen die es nicht gut mit anderen meinen. Das kann und darf man nicht ausblenden. 

Nun ist es ja so, dass wir Eltern in der Regel auch nicht in die Erziehung ihrer Kinder reinquatschen (also im Normalfall zumindest). Wir gestehen Eltern zu, die passenden Entscheidungen zu treffen. Sei es der Kauf von Kleidung, Essen, die Auswahl des Kindergartens und der Schule, die Wahl des Urlaubsortes, ob das Kind diesen oder jenen Film (mit)sehen darf, welches Spielzeug, welche Bücher, Computerspiele oder Internetseiten genehm sind. Eltern haben hier Verantwortung, keine Frage.

Klar posten wir von uns in der Regel nur Bilder die wir ok bis sehr gut finden. Die Kinder können diese Auswahl (zumindest bis zu einem gewissen Alter) nicht treffen. Aber warum spricht man Eltern pauschal ab, bei der Wahl eines Bildes, auf dem das Kind zu erkennen ist, verantwortungsbewusst gehandelt zu haben? Wieso nimmt man sich das Recht heraus, diese Handlung als falsch zu verurteilen und gegen das Wohlergehen des Kindes auszulegen?

Um Missverständnisse zu vermeiden: es geht hier nicht um Bilder, auf denen die Kinder nackt sind. Es geht nicht um Bilder, die das Kind in einer unangenehmen Situation zeigen. Es geht um Bilder die einfach nur ein Kind zeigen, im Alltag mit seinen Eltern, Geschwistern oder auch allein z.B. wie es gerade auf einer Wiese spielt. Ich denke schon, dass Eltern bei der Auswahl der veröffentlichten Bilder ihrer Kinder ebenso bewusst und überlegt handeln, wie sie es auch bei Bildern von sich selbst tun. Zumindest spreche ich dies den Eltern nicht pauschal ab.

Technik und Fehlentscheidungen

Selbstverständlich trifft es zu, dass auch viele Bilder an die Öffentlichkeit gelangen, die dort gar nicht platziert werden sollten. Dies liegt nicht selten daran, dass viele Menschen nicht wissen, wie in welchem Netzwerk welche Einstellungen zu treffen sind, so dass diese Bilder eben nur ein bestimmter Personenkreis sehen kann. Sicherlich triff es auch zu, dass nicht wenige Menschen mit den Wirkungen und Möglichkeiten des Internets (noch) nicht so vertraut sind und in diesem Zusammenhang falsche Entscheidungen treffen.

Das ist aber ein anderer Punkt, wie ich finde. Das sind Dinge die sich ändern lassen. Warum nicht die betreffenden Personen in seinem Netzwerk einfach anschreiben und nachfragen, ob das so gedacht war, dass diese Bilder für diesen und jenen Personenkreis auch sichtbar sind bzw. dass sie komplett öffentlich sichtbar sind? Das gilt im Übrigen nicht nur für Bilder von bzw. mit Kindern.

Natürlich gibt es auch Eltern die Bilder veröffentlichen – sei es eingeschränkt oder komplett public – die eine gewisse Grenze überschreiten, weil z.B. das Kind unbekleidet zu sehen ist. Auch hier hilft es, diese Menschen direkt anzusprechen, idealerweise per Nachricht, nicht öffentlich. In den meisten Fällen, da bin ich ziemlich sicher, handelt es sich um ein Versehen oder Unwissenheit und diese Menschen sind Euch dankbar für einen Hinweis darauf. Ich habe dies selbst schon gemacht und die Eltern waren sehr dankbar für den Hinweis, da hier 2 Bilder in den Upload gelangten, welche da nicht beabsichtigt waren, auch wenn der Teil, der sie sehen konnte sehr eingeschränkt war.

Fazit

Eine Verurteilung von Menschen die Kinder haben und ihr Leben mit selbigen auch im Social Web nicht verstecken, halte ich für falsch. Gerade in unserer Gesellschaft wird eine gewisse Feindlichkeit Kindern und Menschen mit Kindern gegenüber beklagt. Diesen Teil des sozialen Lebens nun aus sozialen Netzwerken oder dem Internet allgemein zu verbannen kann nicht der richtige Weg sein und setzt falsche Signale.

Man darf Eltern durchaus zugestehen, auch in diesem Feld bewusste und klare Entscheidungen zu treffen und diese nicht automatisch dem Wohl des Kindes schaden. Man sollte Eltern nicht die Verantwortung absprechen, nur weil sie sich dafür entschieden haben, dass ihr Leben mit ihrem Kind etwas ist, das zu einem gewissen Teil auch in der (Teil-)Öffentlichkeit stattfindet.

Jeder der seine Kinder nicht oder nur unkenntlich zeigen möchte, sollte dies genauso tun bzw. lassen dürfen wie jene, die ihre Kinder erkennbar auf Bilder teilen. Weder das eine noch das andere ist grundlegend als verwerflich zu betrachten. Eine pauschale Verurteilung finde ich falsch und lehne sie entschieden ab.

Und natürlich werden die Kinder ab einem gewissen Alter nicht jedes Bild super duper toll finden (wie andere Entscheidungen ihrer Eltern im Übrigen auch). Hier kann man dann gemeinsam mit dem Kind drüber sprechen, dessen Sicht der Dinge anhören und ab einen bestimmten Alter die Kinder auch in den Prozess welche Bilder nach draussen gehen mit einbeziehen. Neben der Frage „Mama/Papa warum habt ihr denn dieses blöde Bild von mir damals gepostet“ könnte bei einem Ausschluss des Kindes aus dem „Onlineleben“ der Eltern auch die Frage kommen:

„Mama/Papa, habt Ihr Euch eigentlich für mich geschämt oder warum habe ich bei all Eurem Internetleben überhaupt nicht stattgefunden?“

Wie vieles im Leben ist auch diese Thematik nicht einfach schwarz-weiss und es gibt manigfaltige Möglichkeiten damit umzugehen. Vergessen wir auch hier Werte wie Toleranz und Respekt nicht und lassen die Vielfalt des Lebens und der Gesellschaft einfach zu.

weitere Artikel zu diesem Thema:

Kinderfotos im Social Web – Wie gehen Eltern damit um?

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[Update 20.10.2015] Kinderbilder auf Facebook – über Risiken und Schreckgespenster

[Update 2018-04-13]

Im Rahmen der Blogparade #Medienmomente von Schau Hin! schrieb Patricia einen Artikel zu dem Thema. Dies war für mich ein Grund, meinen eigenen Standpunkt und den Artikel dazu nocheinmal auf Aktualität zu prüfen. Im Gegensatz zu 2015, als ich den obigen Artikel schrieb, bin ich mittlerweile Vater (ein sehr stolzer und glücklicher noch dazu :) ). Dennoch hat sich mein Standpunkt dazu nicht geändert.

Wie seht Ihr dieses Thema?


Bild: geborgen-gewachsen.de – @FrauMierau

letzte Bearbeitung: 2018-04-13

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