Am heutigen gestrigen 28.06.2012 fand im deutschen Bundestag die Abstimmung über einen Gesetzentwurf zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts statt.

Nun denkt man vielleicht, dass wir in einer aufgeklärten, offenen und liberalen Gesellschaft leben. Man nimmt vielleicht auch an, dass in der heutigen Zeit für den Grossteil der Bevölkerung Homosexualität als „normal“ betrachtet wird. Also sollte eine solche Abstimmung unserer Volksvertreter ja eigentlich klar ausgehen. Leider weit gefehlt!

Das amtliche Abstimmungsergebnis:

Abgegebene Stimmen (gesamt): 581
nicht angegebene Stimmen: 39
Ja-Stimmen: 260
Nein-Stimmen: 309
Enthaltungen: 12
ungültige Stimmen: 0

(Quelle: bundestag.de)

Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt. Die Stimmenverteilung, also wer wie abgestimmt hat, ist namentlich festgehalten.

  Ergebnis 187. Sitzung BT Abstimmung 3 (131,9 KiB, 1.678 hits)

(Quelle: bundestag.de)

Die Stimmen verteilen sich fraktionsbezogen hierbei wie folgt:

Fraktion Ja Nein Enthaltung nicht abgegeben
CDU/CSU 0 224 3 10
SPD 136 0 0 10
FDP 0 85 4 4
Die Linke 59 0 5 12
Bündnis90/Die Grünen 65 0 0 3

Das Ergebnis allein ist schon sehr traurig, bestätigt es doch, dass wir noch längst nicht in einer offenen und liberalen Gesellschaft leben.

Noch viel bedenklicher ist jedoch, dass sich die Abstimmung offensichtlich nicht zwingend nach dem Gewissen des einzelnen Abgeordneten gerichtet hat, sondern so mancher (oder vllt. sehr viele!?) nach dem Willen der Fraktion die Stimme abgab.

So antwortete Peter Altmaier (@PeterAltmaier) auf die Twitter-Anfrage von Tilo Jung (@TiloJung) wie folgt:

.

(Quelle: Twitter, Peter Altmaier)

Dass Herr Altmaier es als selbstverständlich ansieht, eher für die Fraktion und statt seine eigene Ansicht zu stimmen, ist schon recht deprimierend. Denn im Grundgesetzt der Bundesrepublik Deutschland heisst es in Art. 38 (1)

[…] Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (Quelle: gesetze-im-internet.de)

Leider ist der allgemein als „Fraktionszwang“ bezeichnete Umstand nicht neu und auch nicht so selten in Anwendung. In diesem Zusammenhang ist es auch schade, dass Guido Westerwelle bei der Abstimmung offenbar nicht anwesend war (Stimme nicht abgegeben). Hätte mich doch interessiert, wie der amtierende Aussenminister in dieser Frage abgestimmt.

Gerade die jüngeren Abgeordneten wie z.B. Dorothee Bär (@DoroBaer) oder Johannes Vogel (@johannesvogel), welche bisher einen recht weltoffenen und aufgeklärten Eindruck bei mir hinterlassen haben, enttäuschen mich mit ihrer Gegenstimme.

Wo liegt das Problem der „Gegner“? Eine Ehe zwischen einem gleichgeschlechtlichen Paar tut niemandem weh. Warum also stimmt man dagegen?

[Update] Ergänzend sei noch die Lektüre des Aktikels „Verbotene Liebe“ von Sebastian Pfeffer empfohlen.

[Update 04.07.2012] Nachdem bekannt wurde, dass gegen den Gesetzentwurf gestimmt wurde, hatte ich via Twitter bei Dorothee Bär (@DoroBaehr), Peter Altmaier (@PeterAltmaier) und Johannes Vogel (@JohannesVogel) nachgefragt, ob diese evtl. etwas zu den Gründen sagen können.

Die Sichtweise von Peter Altmaier ist ja oben nachzulesen. Dorothee Bär hat bisher nicht geantwortet. Von Johannes Vogel kam soeben eine Antwort via Twitter:

Johannes Vogel Antwort-Tweet  zu gleichgeschl. Ehe

Der Link führt zum Protokoll der 187. Sitzung des Deutschen Bundestages. Auf Seite 306 findet man u.a. die Erklärung von FDP Abgeordneten , welche sich Ihre Ablehnung begründen. Der Text lautet wie folgt (Hervorhebungen von mir):

Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus, Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal, Nicole Bracht-Bendt, Klaus Breil, Marco Buschmann, Bijan Djir-Sarai, Patrick Döring, Rainer Erdel, Jörg van Essen, Otto Fricke, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Manuel Höferlin, Heiner Kamp, Dr. Lutz Knopek, Harald Leibrecht, Patrick Meinhardt, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Jörg von Polheim, Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Jimmy Schulz, Marina Schuster, Christoph Schnurr, Stephan Thomae, Manfred Todtenhausen, Johannes Vogel (Lüdenscheid), Dr. Daniel Volk (alle FDP)

zur Abstimmung über den Entschließungsantrag:

Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen (Tagesordnungspunkt 11 a)

Die FDP hat in der Koalition mit der Union zahlreiche Schritte zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften durchgesetzt, so die volle Gleichstellung im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, bei der Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer sowie beim BAföG. Auf Initiative des Bundeswirtschaftsministers ist im aktuellen Entwurf des Jahressteuergesetzes die Gleichstellung bei den vermögensbildenden Leistungen vorgesehen. Die Bundesjustizministerin bereitet zudem ein Rechtsbereinigungsgesetz für das Recht eingetragener Lebenspartnerschaften vor, mit dem die Gleichstellung
in einer Reihe von weiteren Rechtsbereichen umgesetzt werden soll.

Anders als im Koalitionsvertrag angelegt, ist die steuerliche Gleichstellung der Lebenspartner mit der Ehe immer noch nicht umgesetzt. Insbesondere im Einkommensteuerrecht gibt es aus unserer Sicht ein verfassungsgemäßes Gebot, angesichts der gleichen Unterhalts- und Einstandspflichten wie bei Ehegatten die Lebenspartner auch in der Einkommensteuer wie Ehegatten zu behandeln.

Als Abgeordnete der FDP-Bundestagsfraktion teilen wir das Ziel der völligen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe, insgesamt können wir aber wegen des bestehenden Koalitionsvertrags mit CDU und CSU dem vorliegenden Entschließungsantrag nicht zustimmen.

Wir fordern aber den Bundesminister der Finanzen auf, als weiteren Schritt zur Gleichstellung unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Ungleichbehandlung bei Einkommensteuer, Wohnungsbauprämie und Riester-Rente aufgehoben wird.

(Quelle: bundestag.de)

Ich kann einfach nicht verstehen, dass offenbar viele die mit „Nein“ gestimmt haben, eine Gleichstellung befürworten, aber aus mAn wenig plausiblen bis sehr armseeligen Begründungen das „Nein“ verteidigen.


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