Vor ein paar Tagen schrieb Wolfgang Michal (@WolfgangMichal) in seinem Blog (und auch bei carta.info) „Mit Social TV dürfen wir uns endlich selbst verblöden„. Heute schreibt Markus Hündgen (@videopunk) bei sich im Blog „Zu dieser Zukunft dieses Fernsehens„. Beides kritische Beiträge (der eine mehr, der andere weniger) zu den Themen „SocialTV“ und „SecondScreen“ sowie dem Themenbereich drumherum.

Tatsächlich wird derzeit sehr viel über dieses Thema geschrieben und berichtet. Es passiert im Moment auch jede Menge in diesem Bereich. Da gibt es im ZDF „Die letzte Spur„, in der ARD lief der „Tatort+„, der Bayrische Rundfunk experimentiert mit der „Rundshow“ und viele Sender entwicklen auch eigene Apps, mit welchen man rund um bestimmte Formate wie „The Voice of Germany“ u.a. Zusatzinfos abrufen kann oder sich mit anderen Zuschauern über die Sendungen austauscht.

Dies alles steckt hierzulande noch mehr oder minder in den Kinderschuhen. In den USA oder auch Grossbritanien sind SocialTV-Themen schon viel verbreiteter, wie es sich am Beispiel des SuperBowl (Finale der National Football League) sehr deutlich darstellen lässt.

.Bild eines alten Fernsehers

Aber muss man jeden Trend mitmachen bzw. braucht man das alles überhaupt? Genauso könnte ich aber auch fragen, ob man soziale Netzwerke braucht. Warscheinlich nicht zwingend. Manche Dinge entwicklen sich einfach und wenn es einen Bedarf gibt bleiben sie bestehen und wenn es keinen Bedarf mehr gibt werden sie wieder verschwinden oder eine Evolution erleben und sich anpassen.

Während Wolfgang die Thematik eher als vollkommen unnütz und überflüssig betrachtet, sieht es Markus eher als „Brückentechnologie“ und nicht als die Zukunft des Fernsehens.

Beide haben mit Ihrer Kritik nicht unrecht, ist es doch grundsätzlich nicht falsch, neue Entwicklungen auch kritisch zu betrachten. Der Artikel von Wolfgang ist mir persönlich jedoch zu negativ. Er lehnt diese Neuerungen komplett ab. Seine Argumente dafür bzw. dagegen kann ich nicht teilen bzw. stimme diesen nur bedingt zu. So schreibt er z.B.

Man gibt den Zuschauern zu verstehen, dass es zum intellektuellen Begreifen des Programms absolut unnötig sei, andauernd hinzusehen.

oder

Die ständige Angst, die Zuschauer könnten mitten in der Sendung abhauen, ist die Triebfeder des Social TV. Zuschauer sollen mitmachen. Denn wer mitmacht, bleibt.

Natürlich kann man dies so sehen. Für mein Verständnis stimmt es jedoch nicht mit der Realität überein. Was bedeutet denn Social TV eigentlich?

Social TV ist für mein Verständis der Oberbegriff für ganz viele unterschiedliche Möglichkeiten. Online-Spiele wie bei „Die letzte Spur“ oder auch „Tatort+“ sind nur ein Teil davon und werden mAn auch nicht die Hauptanwendungen der Social TV Zukunft.

Fernsehen war doch schon immer ein soziales Medium. Von Beginn an hat man TV in Gemeinschaft erlebt. Früher im Kreise der Familie, später dann auch in grosser Gruppe beim Public-Viewing. Natürlich wird TV nicht immer in einer Gruppe geschaut, macht in einer solchen aber definitiv mehr Spass. Denn in den meisten Fällen möchte man sich doch über das Gesehene austauschen.

Markus schreibt:

Das Medium Fernsehen ist generell nur sehr beschränkt zum Dialog fähig.

Das ist bedingt richtig. Ich glaube, dass wir es einfach nur nicht gewohnt sind, mit dem TV zu interagieren. Noch mehr glaube ich, dass die TV Macher und die Zuschauer es lernen können. Lernen funktioniert am Besten über ausprobieren. Da kann natürlich auch hier und da mal etwas schief laufen, grundsätzlich aber ist es mAn ohne Probleme machbar, dass Fernsehen auch dialogfähig wird. Ob und wie es bei jeden TV-Format Sinn macht, darüber darf man gern diskutieren.

Dies ist aber auch nur ein Teilaspekt von SocialTV. Der Hauptpunkt ist aus meiner Sicht das Gemeinschaftserlebnis, der gemeinsame Austausch über und weniger mit dem Fernsehen. Genau das findet aber bereits seit längerem statt und zwar ohne, dass TV Sender hier auch nur ansatzweise etwas dazu beitragen. Sendungen wie der Tatort oder auch Sportereignisse wie Fussballspiele (oder der oben erwähnte SuperBowl) werden ausgiebig auf Twitter diskutiert. Dies zeigt mAn nach, dass Zuschauer nicht (nur) mitmachen sollen, wie es Wolfgang beschreibt, sondern von vor allem selbst mitmachen wollen.

Diese Thematik können TV-Sender nun etwas forcieren, indem man einen „offiziellen“ HashTag während der Sendung einblendet und die Community diesen dann verwendet. Der Rest läuft vollkommen selbständig. Der Vorteil für die Sendungsmacher ist, dass man über diesen HashTag alle Stimmen sehr einfach sammeln und sichten kann. Etwaige Kritik kann so direkt aufgenommen und die entsprechenden Verbesserungen vorgenommen werden. Den Vorteil, der Übersicht der Kommunikation über die jeweilige Sendung, hat aber auch die Community und diese kann sich so sehr einfach miteinander austauschen.

Ein nächster Schritt ist, bei Live-Sendungen wie z.B. Talkrunden o.ä., die Community mit in das laufende Programm einzubinden. Was früher via Fax oder per Telefon gelöst wurde geht nun via Tweets oder Facebook-Kommentaren. Darauf folgt die Möglichkeit der Videogespräche via Skype oder Google-Hangout. All dies wird hier und da bereits versucht und wird aus meiner Sicht irgendwann genauso normal sein, wie es uns heute nicht verwundert, wenn Zuschauer via Telefon dazugeschalten werden.

Zum „SecondScreen“ schreibt Markus dann weiter:

Wer glaubt denn ernsthaft, dass wir im post-mobilen Zeitalter der Zukunft noch den Großteil des Bewegtbildkonsums im Pre-Internet-Konstrukt „Wohnzimmer“ verbringen und auf einen großen Hauptscreen schauen?

und

Viel wahrscheinlicher ist es, dass wir unseren Screen die ganze Zeit dabei haben. Nicht als Smartphone, sondern im Blickfeld.

Diese Einschätzung teile ich nur eingeschränkt. Das „Wohnzimmer“ nehme ich hierbei einfach einmal als Symbolwort. Ich glaube, dass TV im Grossen und Ganzen immer etwas sein wird, was der Mensch in Gemeinschaft erleben möchte. Ob dies nun zu Hause auf der Couch ist oder in einer Bar mit Freunden etc. spielt hierbei nur bedingt eine Rolle. Der grosse Screen wird so schnell nicht verschwinden.

Natürlich bringen neue Technologien wie die Google-Glasses neue Aspekte und Möglichkeiten in das Thema ein. Ich persönlich glaube jedoch nicht daran, dass der Grossteil der Fernsehzuschauer über eine solche Brille oder ein Tablet bzw. Smartphone mobil den Hauptanteil des Bewegtbildes konsumieren wird.

Der mobile Konsum mag für Nachrichtensendungen oder ähnliche Formate mit kurzem prägnanten Informtionsfluss funktionieren. Bei Filmen, Sportübertragungen etc. werden meiner Meinung nach „ruhigere“ Orte sowie grössere Bildschirme bevorzugt.

Denn derartige Sendungen möchte man in der Regel nicht allein anschauen sondern in Gesellschaft von mind. 1 oder eben auch mehr Personen. Dass dann beispielsweise 2-3 Personen in einem Park auf einer Bank sitzen, eine solche Brille aufhaben und gemeinsam ein bestimmtes TV-Format schauen kann ich mir nicht vorstellen. Ebenso wenig bequem und vorteilhaft stelle ich mir den Konsum einer Sendung durch mehrere Personen am gleichen Ort über einen Smartphone- oder Tablet-Screen vor.

Das Fernsehen bzw. die Fernsehlandschaft wird sich definitiv verändern, hier gebe ich Markus Recht. Die Veränderung wird z.B. durch neue Formen der Bezugsmöglichkeiten von TV-Inhalten sein. Dabei geraten die eigentlichen Devices eher in den Hintergrund. Egal ob Smartphone, Tablet, Spiele-Konsole oder TV-Gerät – sobald die Möglichkeit des Internetanschlusses besteht, werden neue Bezugsquellen wie Hulu oder Netflix das Rennen machen. In Deutschland wird dies wohl noch etwas Zeit brauchen, aber diese Entwicklung aufzuhalten wird wohl nur schwer möglich sein.

Ich stimme Markus auch in insoweit zu, dass technische Mittel wie „SecondScreen“ nicht der Heilsbringer für die Zukunft des TV sein werden. Die Thematik SocialTV sehe ich jedoch keineswegs als Brückentechnologie. Aus meiner Sicht ist es das ureigene Thema seit Beginn des Fernsehens, welches nun nur die neuen Kanäle der heutigen Zeit erreicht und nutzt.

SocialTV ist für mich vor allem die Vielfalt der Möglichkeiten, TV-Inhalte gemeinsam zu erleben und sich darüber auszutauschen und somit in gewisser Weise ein Teil dieser Inhalte zu werden.


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